Waage

Gewichtsprobleme

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11. Dez 2023
Author
Gründer von Hundpur

Florian Keller

Gewichtsprobleme

Jeder zweite Hund in Deutschland ist zu dick. Gerade nach den Schmaustagen an Weihnachten haben viele Fellnasen ordentlich zugelegt. Und die Extraportion Speck tut den Wauzis alles andere als gut. Vor allem die Gelenke können einen ziemlichen Schaden davontragen. Im schlimmsten Fall kommt es irgendwann zu Arthrose – und die ist bekanntlich nicht heilbar.  

Leni ist (pardon Leni) ein kleiner Moppel. Sie bringt eindeutig zu viel auf die Waage. Nicht richtig schlimm, aber schon etwas. Das Problem: Leni isst für ihr Leben gern. Nein, das wäre noch ein klein wenig untertrieben, sie ist eine Fressmaschine, ein Terminator in Hundeform. Fressen ist ihre größte Leidenschaft, ihr Hobby, ihr Lebensinhalt (abgesehen vom Holzofen, vor dem sie im Winter Stunden verbringt). Sie kann einfach nicht ohne. Es ist ihr Elixier. 

Vermutlich liegt das an ihrer Vorgeschichte. Die Jagdhund-Mix-Dame kommt aus dem Ausland. Dort lebte sie angeblich auf einem Grundstück, auf dem ein älterer Mann Tiere gesammelt hat. Leni hatte damals neun Welpen zu versorgen, was ihr auch hervorragend gelungen ist. In diesen Tagen war sie eindeutig zu dünn (wir haben den Fotobeweis), die Rippen waren deutlich zu sehen. Aber das änderte sich schnell, raketenschnell. 

Ich bewundere Leni: Sie ist eine Kämpfernatur, unerschrocken, eine Überlebenskünstlerin, eine Heldin auf vier Pfoten. Würde man sie irgendwo auf dem Planeten aussetzen, egal ob in der Mongolei, im tiefsten Urwald oder auf den Äußeren Hebriden, sie könnte sich jederzeit mit Fressbarem versorgen. Mäuse gibt es ja so gut wie überall, nur am Südpol sind sie wahrscheinlich eher selten zugegen.

Als sie damals bei uns eingezogen ist, hat sie uns gleich mal gezeigt, wie sie tickt – und ist an einem Sonntagmorgen beim Gassigehen gleich mal ausgebüxt. Helle Aufregung. Panik. Sie kannte sich schließlich noch nicht so gut aus. Irgendwann kam sie lässig angeschlendert – aus der Gegenrichtung. Im Maul hatte sie: eine Brezel. Wir wissen bis heute nicht, von welchem Frühstückstisch sie diese gemopst hat. Leni war jedenfalls bester Laune. 

Auch Mäuse sind nicht vor ihr sicher. Eine Katze könnte sich vor einem Mauseloch nicht besser auf die Lauer legen. Und dann: Zugriff. Unsere Begeisterung hält sich hingegen sehr in Grenzen. Vor allem wegen möglicher Würmer. Diese Bekanntschaft wollen wir nicht noch einmal machen. 

Lena hat mittlerweile zehn Jahre (schätzungsweise) auf dem Hundebuckel und bekommt Diätfutter, was ihr natürlich nie genug ist. Als Nachtisch gibt’s entweder was zu kauen oder eine Möhre. Beides wird mit Hingabe verspeist, Letztere begleitet von lautem Schmatzen. Falls wir den Nachschlag im morgendlichen Gefecht einmal vergessen sollten, Leni würde uns auf diesen Fauxpas dezent mit lautem Bellen hinweisen. Aber auch wenn sie sich einen ganzen Sack Trockenfutter einverleiben würde, wäre es wahrscheinlich trotzdem nicht genug. 

Unser Nachbar meint auch immer, wir sollten stets besonders höflich zu Leni sein. Denn für den Fall, dass wir plötzlich tot umfallen würden, wäre unsere leblose Hülle nicht vor ihr sicher. Sie hätte sicherlich Gewissensbisse, aber der Biss ins Fleisch wäre dann doch zu verlockend. Wäre ja auch sonst wirklich eine Verschwendung. 

Auf der anderen Seite ist sie mega-sportlich. Beim samstäglichen Trimm-dich-Pfad-Run ist sie stets vorne dabei, ihre Schlappohren fliegen dabei um die Wette und die Hinterbeine in die Höhe. Sie hat einen Mordsspaß, was einen wiederum selbst extrem motiviert, gehörig auf die Tube zu drücken. Und auch zehn oder mehr Kilometer joggt sie locker-flockig aus der Hüfte. 

Luna ist hingegen das komplette Gegenteil. Sie ist super-schlank und in Geschmacksfragen äußerst penibel. Ihr Motto: Was sie nicht kennt, frisst sie nicht. (Leni überlegt erst, ob es ihr schmeckt, während sie schon frisst.) Die Wolfshund-Mix-Dame dürfte um die sieben Jahre alt sein (auch hier wissen wir es nicht genau, sie kommt ja ebenfalls aus dem Tierschutz) und es dauerte mehr als ein Jahr, bis sie nicht mehr ausgesehen hat, als bestünde sie nur aus Haut und Knochen. Wir haben sie mit großen Portionen aufgepäppelt, aber die Gewichtszunahme ließ dennoch sehr zu wünschen übrig. Am meisten wiegt sie wohl im Winter, aufgrund des Fells. 

Figurtechnisch sieht sie aus wie eine erstklassige Ausdauerläuferin. Rank und schlank und ziemlich hochbeinig. Ist sie aber nicht. Wenn sie schon die Laufschuhe erblickt, sinkt ihre Laune in den Keller (während Leni vor Freude ausflippt). Sie rennt zwar gern mit ihrem Nachbarsfreund über Wiesen und Äcker, aber Joggen zählt nicht gerade zu ihren Leidenschaften. Es ist ihr wohl zu langweilig. 

Hier zeigt sich eine Ungerechtigkeit – oder besser zwei Ungerechtigkeiten –, die sich auch im Menschenbereich zu finden lässt. Manche nehmen schon zu, wenn sie nur an ein Stückchen Kuchen denken, andere können essen wie Scheunendrescher und sind trotzdem gertenschlank. Ungerechtigkeit Nummer 2: Erstere sind Sportskanonen, man sieht es ihnen aber in keinster Weise an. Letztere sind Couch Potatoes, was man ihnen aber ebenfalls nicht ansieht. 

Wieder ein Beispiel dafür, dass Hund und Mensch gar nicht so unterschiedlich sind. Kein Wunder, dass wir sie so sehr lieben. 

Bis zum nächsten Mal!

Eure Tanja. Und Leni. Und Luna.